Vergütung für Ehrenamtliche in der häuslichen Pflege: “Wir machen es wie beim Fußball”

Ge­schul­te Rent­ner, die ei­ne Auf­wands­ent­schä­di­gung er­hal­ten, ähn­lich der steu­er­frei­en Übungs­lei­ter­pau­scha­le beim Fuß­ball, sol­len zu­künf­tig nach den Vor­stel­lun­gen des Be­auf­trag­ten der Bun­des­re­gie­rung für die Be­lan­ge der Pa­ti­en­tin­nen und Pa­ti­en­ten und Be­voll­mäch­tig­ten für Pfle­ge, Karl Lau­mann, un­ter an­de­rem auch stell­ver­tre­ten­der Lan­des­vor­sit­zen­der der CDU NRW, ein nie­drig­schwel­li­ges, orts­be­zo­ge­nes An­ge­bot in der am­bu­lan­ten Al­ten­pfle­ge ge­währ­leis­ten.1

Die wirk­lich gro­ßen Pro­ble­me kom­men erst in 20 Jah­ren auf uns zu. Im Mo­ment geht es nur um die ge­bur­ten­schwa­chen Jahr­gän­ge aus den Kriegs­jah­ren. Aber rich­tig schwie­rig wird es, wenn die Ba­by­boo­mer-Ge­nera­ti­on aus den Jahr­gän­gen zwi­schen 1950 und 1970 ins ho­he Al­ter kommt und pfle­ge­be­dürf­tig wird. Dar­auf müs­sen wir uns vorbereiten.

Wir müs­sen vor al­lem den An­ge­hö­ri­gen hel­fen. … Ich möch­te, dass die pfle­gen­den Fa­mi­li­en fach­lich gu­te, aber auch mensch­li­che und be­zahl­ba­re Hil­fe zur Ent­las­tung be­kom­men. Ein Bau­stein kön­nen hier si­cher Eh­ren­amt­li­che sein, zum Bei­spiel ge­schul­te Rent­ner, die ei­ne Auf­wands­ent­schä­di­gung er­hal­ten, ähn­lich der steu­er­frei­en Übungs­lei­ter­pau­scha­le beim Fuß­ball. So ent­steht ein nied­rig­schwel­li­ges, orts­be­zo­ge­nes Angebot.

Die­ser Vor­stoß ist ei­ner von wei­te­ren, mit de­nen Lau­mann die Vor­stel­lung, zu­künf­tig soll­ten Renter_innen die Fa­mi­li­en bei der häus­li­chen Pfle­ge ent­las­ten2, seit dem Win­ter im­mer wie­der ge­zielt3 in die öf­fent­li­che Dis­kus­si­on bringt. Um die Rentner_innen da­zu zu be­we­gen, setzt er auf steu­er­li­che und wei­te­re mo­ne­tä­re Anreize:

War­um soll nicht ein Rent­ner mit klei­ner Ren­te4 ne­ben­bei 100 Eu­ro im Mo­nat ver­die­nen, wenn er mit der Pfle­ge­per­son Spa­zier­gän­ge macht?5

Da­bei ver­wischt Lau­mann ar­gu­men­ta­tiv ge­le­gent­lich völ­lig die Gren­zen zwi­schen eh­ren­amt­li­chen Tä­tig­kei­ten und ge­ring­fü­gi­gen Be­schäf­ti­gun­gen, ob ab­sichts­voll, sei da­hin­ge­stellt. So zum Bei­spiel bei der Vor­stel­lung sei­nes Kon­zepts, Rentner_innen ge­zielt als De­menz­be­treu­er ein­zu­set­zen. Denn das sei not­wen­dig, weil bun­des­weit 50.000 Pfle­ge­kräf­te fehl­ten und auch nicht be­schafft wer­den könnten:

Zwei Drit­tel der Pfle­ge­fäl­le wer­den da­heim be­treut, des­halb hält es der Pfle­ge­be­auf­trag­te für sinn­voll, Fa­mi­li­en zu­sätz­li­che nie­der­schwel­li­ge An­ge­bo­te zu ma­chen. Mit dem Geld aus der Pfle­ge­ver­si­che­rung könn­ten Fa­mi­lie die Hel­fer be­zah­len, sag­te Lau­mann. „Mit pro­fes­sio­nel­len Pfle­ge­kräf­ten ist das nicht mög­lich – au­ßer­dem gibt es gar nicht so vie­le.“5

Zu­sam­men­ge­fasst hat er die Vor­stel­lun­gen dann noch­mal in ei­nem Ge­spräch mit dem Ma­ga­zin des Ver­ban­des der Er­satz­kas­sen: Die Fa­mi­li­en wür­den zwar klei­ner, aber wir müs­sen ei­ne star­ke Be­tei­li­gung der häus­li­chen Pfle­ge er­hal­ten. Da­für sei­en je­doch nie­der­schwel­li­ge An­ge­bo­te er­for­der­lich, wo­bei be­son­ders die Kom­mu­nen mit den klei­nen Le­bens­krei­sen an­ge­fragt sei­en; und er­mög­li­chen soll­te dies ei­ne steu­er­recht­li­che Re­ge­lung ana­log der Übungsleiterpauschale.

So et­was kann ich mir auch in der Pfle­ge vor­stel­len. War­um soll man nicht ei­nen Rent­ner schu­len, wie man mit an De­menz er­krank­ten Men­schen um­geht, so­dass er dann ein Mal in der Wo­che die Be­glei­tung über­nimmt und pfle­gen­de An­ge­hö­ri­ge ent­las­tet, da­für aber auch ein paar Eu­ro in der Stun­de be­kommt? Das ist zwar kei­ne Be­zah­lung in dem Sin­ne, aber schon ei­ne An­er­ken­nung.7

DISKUSSION
SIEHE AUCH

Fuß­ball­trai­ner für die Pfle­ge In: Mein Pfle­ge­por­tal Blog. Will­kom­men in der Welt der An­ge­hö­ri­gen­pfle­ge, 26.02.2014 | abgeordnetenwatch.de↵, 17.06.2014 | Pfle­ge und Eh­ren­amt. Pfle­gen wie die Welt­meis­ter? In: Fo­cus On­line, 29.06.2014 | Ko­ali­ti­on will Pfle­ge-WGs stär­ken – Kri­tik an ‘bil­li­gen’ Hel­fern. In: faz.net, 15.10.20148

Ak­tu­el­ler Stand: 20.10.2014

  1. Vgl. Ka­de, Clau­dia, 2014: Nach­bar­schafts­hil­fe. Fuß­ball­trai­ner-Prin­zip soll die Pfle­ge ret­ten. In: Die Welt, 26.02.
  2. Vgl. Rent­ner sol­len Fa­mi­li­en künf­tig bei der häus­li­chen Pfle­ge ent­las­ten. In: WAZ, 16.03.2014
  3. Auf die Fra­ge des Ma­ga­zins des Ver­ban­des der Er­satz­kas­sen: Wel­che Ein­fluss­mög­lich­kei­ten ha­ben Sie ge­ne­rell auf Ge­setz­ge­bungs­pro­zes­se oder an­ste­hen­de Ent­schei­dun­gen im Ge­sund­heits­we­sen? ant­wor­te­te Lau­mann im April: Die Ein­fluss­mög­lich­kei­ten sind op­ti­mal, aber das hängt auch da­mit zu­sam­men, dass ich po­li­tisch gut ver­netzt bin. Ein­fluss muss man sich im­mer er­kämp­fen. Die recht­li­che Grund­la­ge und der Ka­bi­netts­be­schluss ver­se­hen mich mit be­stimm­ten Rech­ten, in der Pfle­ge und bei Pa­ti­en­ten­rech­ten kann nichts an mir vor­bei­lau­fen. Ent­schei­dend ist vor al­lem, Ein­fluss auf die po­li­ti­sche Wil­lens­bil­dung zu neh­men. In mei­nem Amt geht es nicht nur dar­um, The­men in der Öf­fent­lich­keit zu be­set­zen, son­dern auch The­men, die an­lie­gen oder aus der Sicht des Am­tes so­wie aus Ge­sprä­chen her­aus er­wach­sen, in die Ge­setz­ge­bung mit ein­flie­ßen zu las­sen. Zit. www.vdek.com/magazin↵, 16.04.2014
  4. Der Be­zug auf den sprich­wört­lich Klei­nen Mann ist über­haupt nicht zu­fäl­lig son­dern stra­te­gisch: Vgl. zum Kon­text: Volks­par­tei­en – Wo bleibt der klei­ne Mann? In: www.zukunftvolkspartei.de, 31.08.2012 (Ein Blog aus der Kon­rad-Ade­nau­er-Stif­tung)
  5. Vgl. a.a.O.
  6. Vgl. a.a.O.
  7. Vgl. a.a.O.
  8. Wir­bel hat­te der be­reits vor­ge­se­he­ne Plan ver­ur­sacht, be­stimm­te nied­rig­schwel­li­ge An­ge­bo­te zu schaf­fen. So sol­len Mit­tel für pro­fes­sio­nel­le am­bu­lan­te Diens­te künf­tig auch ver­stärkt et­wa für Ein­kaufs­hil­fen, Hel­fer für Bo­ten­gän­ge oder Be­treu­ung be­nutzt wer­den dür­fen. Der Be­trag hier­für soll nun aber statt bis zu 50 nur bis zu 40 Pro­zent der Mit­tel für am­bu­lan­te Pfle­ge­sach­leis­tun­gen aus­ma­chen dür­fen. Zu­dem sol­len spä­ter Er­fah­run­gen da­mit aus­ge­wer­tet wer­den. Ge­gen die­se Plä­ne pro­tes­tie­ren die Trä­ger den­noch hef­tig. “Hier ent­ste­hen völ­lig un­kon­trol­lier­te An­ge­bo­te, die sich kei­ner­lei Qua­li­täts­an­for­de­run­gen un­ter­wer­fen müs­sen”, sag­te der Prä­si­dent des Bun­des­ver­bands pri­va­ter An­bie­ter so­zia­ler Diens­te, Bernd Meu­rer, der dpa. An­ge­hö­ri­ge wür­den ver­mehrt zur “Bil­lig­ver­si­on” von Pfle­ge grei­fen – neue pre­kä­re Jobs ent­stün­den. Der So­zi­al­ver­band Deutsch­land hielt dem ent­ge­gen, die Plä­ne wür­den die häus­li­che Ver­sor­gung ver­bes­sern und manch­mal über­haupt erst er­mög­li­chen.